Ach wie nett, DeNIC kassiert für ß-Domains nun doppelt? 2008 habe ich mir meine eigene Zwei-Zeichen-DE-Domain zugelegt — über IDN, lange bevor das DeNIC diese Möglichkeit – nach einem verlorenen Rechtsstreit – auf US-ASCII-Basis schuf.
Und anders als bei den berühmt-berüchtigten Beispielen db.de und ix.de, die in den »Wirrungen« der Anfänge der deutschen TLD registriert wurden und auch nach den willkürlichen Einschränkungen des DeNICs den Namensraum betreffend nicht kassiert wurden, so gibt es für mein æß.de (xn--ss-0ia.de) keinen Bestandsschutz. Um weiterhin unter der Klarschriftadresse http://æß.de erreichbar zu sein, muß ich nun zusätzlich diese Domain nochmals registrieren (und damit für zwei IDN-Domains – æß.de in der alten Übersetzung nach æss.de => xn--ss-0ia.de sowie æß.de in der neuen, IDNAbis, Übersetzung, für die ich leider noch kein Tool gefunden habe; Verisign z. B. macht da auch heute am 27.10.2010 noch xn--ss-0ia.de draus – zahlen). Und eine Aufgabe der »alten« Übersetzung ist nicht ratsam, denn, wie DeNIC ausführt, der neue Standard ist inkompatibel zum bisherigen:
Die fehlende Rückwärtskompatibilität des neuen IDN-Standards mit dem vorherigen Standard lässt– solange nicht alle Browser und Anwendungen ihn unterstützen – keine eindeutige Adressierung von Domains mit den Zeichen(ketten) “ss“ oder “ß“ zu. […]
Änderungen infolge des neuen Standards
Entsprechend dem bisher geltenden IDN-Protokoll wurde das „ß“ in ein ASCII-kompatibles Format konvertiert, damit es vom Domain Name System (DNS) verarbeitet und bei der Registrierung von Domains verwendet werden konnte. Hat ein Internetnutzer bisher eine Domain mit „ß“ in seinen Browser eingegeben, wandelte dieser automatisch in „ss“ um, d.h. aus „straße.de“ wurde automatisch „strasse.de“. Ob diese Umwandlung in der Adresszeile für den Nutzer ersichtlich war, richtete sich nach dem verwendeten Browsertyp. Der neue IDN-Standard sieht dagegen vor, das „ß“ als selbstständiges Zeichen zu führen, so dass eine Umwandlung von „ß“ in „ss“ nicht mehr stattfindet. Dies wird konform zum neuen Standard vom DNS so realisiert. Damit sind “straße.de” und “strasse.de” nunmehr zwei unterschiedliche Domains. Das bedeutet, dass Anwendungen, die auf dem alten IDN-Standard beruhen, nicht mehr kompatibel mit dem neu eingesetzten Standard sind. Man spricht hier von fehlender Rückwärtskompatibilität.
Auswirkungen der fehlenden Rückwärtskompatibilität
Aus Nutzersicht kann diese Umstellung in einer Übergangszeit insofern zu unerwarteten Ergebnissen führen, als aktuelle Webbrowser und E-Mail-Clients zumeist noch auf dem alten IDN-Standard basieren. Je nach eingesetzter Software gelangen Nutzer bei der Eingabe von „ß“ innerhalb einer Domain demnach zu unterschiedlichen existierenden Domains. Während mit dem neuen Standard konforme Browserversionen den Nutzern die entsprechend ihrer Eingabe korrekte Seite anzeigen, werden die Nutzer älterer Versionen nach wie vor grundsätzlich auf eine Domain mit „ss“ geführt. Diese muss jedoch – unabhängig davon, ob sie auf denselben Inhaber registriert ist – nicht notwendigerweise identisch mit der angefragten „ß“-Domain sein. Wann die Browserhersteller die Neuerungen des DNS-Protokolls ebenfalls mit Updates unterstützen werden, liegt nicht im Einflussbereich von DENIC. Solange diese technische Unwägbarkeit fortbesteht, empfiehlt DENIC Interessenten an einer Domain mit dem Bestandteil „ß“ daher, diesen Umstand bei der Nutzung der Domain zu berücksichtigen.
Im Klartext heißt dies also, daß DeNIC sich diesmal ganz offenherzig einem neuen Standard gegenüber gibt (zu zweibuchstabigen Domains mußte DeNIC erst geklagt werden, groß anders war’s Ende der 80er nicht mit Firmendomains, die eine führende Ziffer hatten. Schon damals stand DeNIC im Widerspruch zu geltenden RFCs, die explizit sowas wie 3jean.de seit Jahren ermöglichten … nicht anders war es bis 2009 mit den zweibuchstabigen de-Domains; meine 42.to war schon seit Ende der 80er Jahre technisch problemlos konnektiert, entgegen den DeNIC-»Vorbehalten«) und einen bestehenden (im Gegensatz zum vormals nur behaupteten, aber faktisch nicht vorhandenen) Bruch gerne in Kauf nimmt, um die Domaininhaber ein zweites Mal abzukassieren.
Ein korrektes Vorgehen wäre gewesen, jeder SS-Domain die IDNAbis-Domain mit Eszett als Klon hinzuzustellen, kostenlos, versteht sich — die Kostenlosigkeit könnte man auf max. 10 Jahre ja begrenzen, wobei der Domaininhaber ja nichts für diesen technischen Unsinn kann, den sich andere ausgedacht haben. Der grundlegende Fehler war, das Eszett initial nicht zuzulassen und in ss zwangszuübersetzen; durch die – unnötige – Änderung dieser Entscheidung kommt es jetzt zu einem richtigen Kuddelmuddel. Und das DeNIC glänzt in seiner Paradedisziplin, dem Abkassieren, Stichwort DeNICdirekt …
Ach so: müßig eigentlich hinzuzufügen, daß keiner meiner beiden Registrare – joker.com und regfish.de – mir heute, am 27.10.2010, Tag 1 nach der DeNIC-Verlautbarung, æß.de in der IDNAbis-Version registrieren kann; beide zeigen mir an, daß æß.de bzw. genauer »Domain: æss.de, Domain-Ace: xn--ss-0ia.de« mir gehören … Gründliche Vorbereitung solcher »Staatsstreiche« ist etwas, was man dem DeNIC in der Vergangenheit nicht vorwerfen konnte; es scheint sich nichts geändert zu haben :( Leider mache ich mit æß.de keinen kommerziellen Umsatz, sodaß nicht einmal ein Schadensersatz in Frage kommt; und 12 EUR/Jahr (regfish) bzw. 6,30 EUR/Jahr (joker) lohnen eigentlich nicht einmal das Telefonat mit der Rechtsschutzversicherung … aber grade deshalb sollte man DeNIC hier Paroli bieten, IMHO.